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Arthrose im Knie – Ist eine Operation wirklich notwendig?
Dr. Marcus Reinke, Chefarzt der Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie an der Immanuel Klinik Rüdersdorf am Universitätsklinikum der Medizinischen Hochschule Brandenburg erläutert in der Radio Paradiso-Sendung „Natürlich gesund“, warum sich Arthrose im Knie bildet, wie man ihr vorbeugen kann und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.
Julia Nogli
Schönen Dienstagabend bei Radio Paradiso mit der Sendung Natürlich gesund. Mein Name ist Julia Nogli und unser Thema heißt heute Arthrose im Knie. Muss man wirklich operieren?
Experte hier im Studio ist Dr. Markus Reinke, Chefarzt der Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie in der Immanuel Klinik Rüdersdorf. Hallo, guten Tag erst mal.
Dr. Marcus Reinke
Guten Abend, Frau Nogli.
Julia Nogli
Ja, fangen wir ganz allgemein mal an. Was ist denn eigentlich Arthrose?
Dr. Marcus Reinke
Ja, Arthrose ist ja ein weitgefasster Begriff. Letztendlich die Endstufe einer Gelenkerkrankung, die zu Beschwerden und massiven Einschränkungen im Leben führen kann, die aber ganz unterschiedliche Ursachen hat.
Julia Nogli
Und warum bildet sie sich im Knie?
Dr. Marcus Reinke
Sie bildet sich nicht nur im Knie, sie bildet sich an allen Gelenken. Aber das Knie ist natürlich eins der großen belasteten Gelenke am Menschen. Und dort verursacht die Arthrose natürlich erhebliche Beschwerden, da wir ja auf das Kniegelenk im Alltag angewiesen sind beim Gehen.
Julia Nogli
Was sind das für Beschwerden?
Dr. Marcus Reinke
Na, die sind ganz unterschiedlich. Das sind zum einen Bewegungseinschränkungen, unter anderem natürlich auch starke Schmerzen, die ganz davon abhängen, wie weit das Stadium der Arthrose im Kniegelenk ist.
Julia Nogli
Und wer ist dann davon hauptsächlich betroffen? Ist ja nicht unbedingt eine Erkrankung des älteren Menschen.
Dr. Marcus Reinke
Zunehmend nicht mehr. Es gibt ja, wie gesagt, verschiedene Ursachen. Es können auch durchaus jüngere Patienten davon betroffen sein.
Die Arthrose kommt unter anderem nach Unfallfolgen an Gelenken zum Tragen, gerade auch am Kniegelenk. Und jetzt sehen wir auch heutzutage zunehmend junge Menschen, die nach ihrer aktiven Sportkarriere schon relativ frühzeitig eine Arthrose am Kniegelenk entwickeln können.
Julia Nogli
Also da verändert sich was an der Knochensubstanz im Gelenk. Das hat jetzt ja nichts zu tun, zum Beispiel mit dem Meniskus oder so, was ja auch oft ein Problem ist.
Dr. Marcus Reinke
Auch ein Meniskusschaden kann dazu führen. Letztendlich ist es eine Veränderung des Gelenkknorpels. Der Knorpel geht unter im Kniegelenk.
Daraus entwickelt sich letztendlich die Arthrose durch einen Knorpelschaden. Und der Knorpel braucht sich über die Zeit dann auf, sodass in Anführungsstrichen Knochen auf Knochen läuft. Und das ist das, was weh tut.
Das macht die Schmerzen letztendlich. Genau.
Julia Nogli
Kann man dem irgendwie vorbeugen?
Dr. Marcus Reinke
Nicht immer. Also das sind, wie gesagt, ganz unterschiedliche Ursachen. Was sie vorbeugen können, sind ganz einfache Sachen wie möglichst auf ihr Gewicht zu achten.
Je schlanker man ist im Leben, desto weniger werden die Gelenke belastet. Also auch ein großes Moment, was letztendlich eine Arthrose fördern kann. Da haben sie Einfluss drauf.
Letztendlich soll das nicht heißen, dass man keinen Sport machen kann im Leben, wobei sich durch Sportschäden eine Arthrose entwickeln können. Das wäre sicherlich der falsche Ansatz. Aber es gibt gewisse Dinge, die letztendlich die Arthrose befördern kann, wie ein ungesunder Lebenswandel mit übermäßigen Kalorienzufuhr und ähnlichem.
Darauf haben sie natürlich Einfluss.
Julia Nogli
Gibt es auch eine genetische Disposition dafür?
Dr. Marcus Reinke
Die gibt es auch. Und zwar geht man davon aus, dass die Matrix des Knorbids verändert sein kann, was genetisch vererbt wird. Diese Patienten entwickeln dann im Vergleich zu anderen Mitmenschen früher eine Arthrose ohne irgendeinen auslösenden Anlass.
Aber das ist noch Anlass aktueller Forschung momentan.
Julia Nogli
Aber interessant. Ja, eben. Also man weiß es schon durchaus auch von relativ jungen Menschen, die zum Beispiel laufen, also richtig lange laufen, rennen.
Ist das per se dann nicht gut oder kann man da auch Dinge dann beachten?
Dr. Marcus Reinke
Na per se nicht gut würde ich nicht sagen. Sicherlich ist Sport was Gutes für den Menschen. Körperliche Betätigung ist ja nie schädlich.
Es wird dann immer ein bisschen problematisch, wenn es in den Hochleistungssport geht. Wenn wir zum Beispiel heutzutage den Fußball sehen mit ambitionierten Amateursportlern oder auch im Profisport. Diese Menschen haben natürlich eine erhöhte Arthrosegefahr.
Einfach durch diese ständige Überbelastung. Das hat man als in Anführungszeichen um Heilverbraucher natürlich nicht. Also sie dürfen durchaus joggen gehen.
Sie sollen Sport machen. Es gibt natürlich immer unterschiedliche Sportarten, die man so ein bisschen an den eigenen Bewegungstypus anpassen sollte. Also wenn man gut trainiert ist, sind die Gelenke gut geschützt?
Sind sie untrainiert? Sollten sie erstmal keine Sportarten machen, die sehr auf die großen Gelenke wie Hüftgelenk oder in diesem Fall auch das Kniegelenk gehen.
Julia Nogli
Also da gibt es ein paar Dinge zu beachten. Dennoch es kommt dazu und sogar sehr weit verbreitet ist das Phänomen. In welchen Fällen muss denn operiert werden?
Dr. Marcus Reinke
Zunächst versucht man erstmal gar nicht zu operieren. Also das erste Ziel ist auch bei einer Arthrose am Kniegelenk, das Kniegelenk so lange wie möglich als das eigene Gelenk zu erhalten. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten im Rahmen der konservativen Therapie.
Dazu gehört Physiotherapie. In weiteren Stadien auch gewisse Formen der Schmerztherapie. Die Operation ist letztendlich immer die letzte Möglichkeit, die man haben kann.
Und auch hier ist die Operationsart relativ unterschiedlich.
Julia Nogli
Also das heißt dann schon künstliches Kniegelenk oder gibt es da so Vorstufen auch?
Dr. Marcus Reinke
Nein, da gibt es auch Vorstufen. Also es kann ja auch sein, dass Sie eine Arthrose durch letztendlich Formabweichung Ihrer Beinachse erleiden können. Und in dem Fall, wo man das schon in einem relativ frühen Stadium feststellen kann, hat man hier die Möglichkeit, achskorrigierende Eingriffe durchzuführen mit dem Ziel, das Kniegelenk zu erhalten und die Ausbildung der Arthrose so gering wie möglich zu gestalten.
Julia Nogli
Das ist ja interessant. Gehen Sie dann an die Hüfte oder im Knie? Oder wie wird das gemacht?
Dr. Marcus Reinke
Das hängt ein bisschen davon ab, wo die Schädigung ist. Also in den meisten Fällen ist es in der Nähe des Kniegelenks, dass Sie dort die Achse des Beines korrigieren durch operative Techniken und somit eine gleichmäßige Belastung des Kniegelenkes ermöglichen möchten.
Julia Nogli
Sie sagten ja vorhin, die Ursache ist letztlich, der Knorpel verschwindet, bildet sich zurück. Den kann man ja nicht wieder herstellen.
Dr. Marcus Reinke
Bisher nicht. Es gibt einige Techniken, gerade in der Sportorthopädie, wo man Knorpel anzüchten und replantieren kann. Das gibt es schon.
Aber es ist halt immer eine Knorpel-Ersatz-Matrix, die nie so gut ist wie der originär angelegte Knorpel.
Julia Nogli
Wie bei so vielen anderen Dingen auch in der Medizin. Das ist ja okay. Also das Letzte wäre der Austausch des Kniegelenks.
Es gibt noch Vorstufen. Bei der Hüfte habe ich mal gelernt, gibt es auch so, dass nur Teile ausgetauscht werden. Also das heißt nicht immer das komplette Gelenk.
Oder ist es ja auch so beim Knie?
Dr. Marcus Reinke
Das ist beim Knie ganz ähnlich. Also da gibt es Abstufungen. Sie versuchen natürlich nur die Gelenkanteile, wenn es dann sein muss, auszutauschen, die von der Arthrose betroffen sind und für die Beschwerden des jeweiligen verantwortlich sind.
Es gibt Teilgelenkersätze, wo Sie nur den inneren Bereich des Kniegelenkes ersetzen können oder den äußeren Bereich. Und dann können Sie das immer weiter entwickeln, je nach Ausprägungsgrad der Arthrose bis hin zu einem kompletten Gelenkersatz am Kniegelenk.
Julia Nogli
Das ist inzwischen eine gewisse Routine. Auch das gibt es schon lange. Das ist nichts Neues.
Dr. Marcus Reinke
Das gibt es schon lange. Da haben Sie vollkommen recht. Das ist auch eine ganz klassische orthopädische Operation, die in vielen Kliniken weltweit durchgeführt wird.
Die Operationstechniken haben sich aber in den letzten Jahren deutlich verbessert. Auch die Materialien, die zum Einsatz kommen, sind deutlich langlebiger geworden, sodass diese Gelenke auch einen etablierten Standard in der Behandlung der Arthrose mittlerweile darstellen.
Julia Nogli
Aber minimalinvasiv geht das ja nicht, wenn ja Teile eingesetzt werden.
Dr. Marcus Reinke
Das kommt immer auf die Größe des Implantates drauf an. Minimalinvasiv können Sie nur in dem Bereich operieren, soweit Sie Teilgelenkersatzoperationen anbieten. Dort ist das sicherlich möglich.
Bei einem kompletten Kniegelenksersatz ist die Eingriffsgröße natürlich dementsprechend etwas größer.
Julia Nogli
Und darf ich mal fragen, in welcher Größenordnung in Ihrer Abteilung im Jahr solche OPs gemacht werden?
Dr. Marcus Reinke
Wir haben in Rüdersdorf ungefähr über 200 Eingriffe im Jahr. Und das bezieht sich sowohl auf das Kniegelenk als auch auf das Hüftgelenk.
Julia Nogli
Genau. Also da ist viel Routine da, sagte ich schon. Erfahrung auch.
Ist es auch hier so, dass schnelle Mobilität versucht wird, herzustellen, dass die Patientin schnell wieder sich bewegen kann, laufen kann danach?
Dr. Marcus Reinke
Das ist jetzt das Ziel der ganzen Prozedur sozusagen. Also die Patienten, die bei uns am Standort operiert werden, dort sind wir angehalten und sehr bemüht, dass wir sie schon am Tag der Operation durch unsere Krankengymnastik aus dem Bett holen und mobilisieren, sodass sie sehr schnell wieder auf den eigenen Beinen und selbstständig unterwegs sind.
Julia Nogli
Das hat man früher, glaube ich, ein bisschen anders gemacht und dann eine Weile gewartet und geschont. Und das ist längst nicht mehr die Schule, sondern so schnell wie möglich bewegen. Sie sagen sogar schon am Tag der OP.
Dr. Marcus Reinke
So ist es. Also wir wollen die Liegezeit der Patienten so kurz wie möglich halten, sodass sie auch ganz schnell ihre Eigenständigkeit zurück erlangen. Und auch, so wie wir es früher gesehen haben, durch lange Liegezeiten, etwaige Komplikationen, so niedrig wie möglich halten können.
Julia Nogli
Also es wäre so, jemand hat seit Jahren wahrscheinlich Schmerzen, kommt dann irgendwann zu Ihnen oder über den Orthopäden. Dann kommt die Entscheidung, es gibt eine Beratung davor. Wie lange muss man denn rechnen mit dieser ganzen OP?
Wie lange ist man im Krankenhaus und gibt es dann immer automatisch noch eine Reha danach? Wie läuft das ab?
Dr. Marcus Reinke
Also bei uns ist es so, dass wir die Patienten vor dem Eingriff nochmal in unserer Sprechstunde ausführlich beraten, mit denen das Operationsprozedere besprechen. Wir analysieren nochmal, ob tatsächlich die geplante Indikation notwendig ist. Und wenn letztendlich eine Operation an unserem Haus dabei als Endpunkt herauskommt, ist es so, dass die Patienten am Operationstag aufgenommen werden.
In der Regel, das ist ja so ein bisschen abhängig, wie alt der Patient ist zum Zeitpunkt der Operation, sind die Patienten zwischen fünf und sieben Tagen bei uns. Und im Anschluss ist es tatsächlich so, dass noch eine Reha-Maßnahme stattfindet. Das ist ein bisschen abhängig auch vom Geschmack des Patienten, ob die ambulant durchgeführt wird oder unter stationären Bedingungen.
Aber das ist sicherlich sinnvoll, da der Patient ja im Rahmen der Arthroseentwicklung gewisse muskuläre Einschränkungen durch Schmerzen und Schonheitungen eingenommen hat. Und das wird dann im Nachhinein im Rahmen der Reha letztendlich wieder muskulär aufgebaut.
Julia Nogli
Und bekommen Sie Feedback manchmal, dass Leute sagen, Mensch, ja, hätte ich es mal vorher gemacht, geht mir jetzt wirklich besser. Melden die sich nochmal?
Dr. Marcus Reinke
Die melden sich auf alle Fälle nochmal. Also bei uns ist es Standard, dass wir die Patienten nach einer gewissen Zeit wiedersehen. Und da merkt man schon ein sehr positives Feedback, gerade was die Patientenzufriedenheit angeht, dass sie sagen, sie gewinnen eine deutlich bessere Lebensqualität zurück.
Die Eigenständigkeit ist erhalten. Die Schmerzen sind reduziert oder ganz weg in den meisten Fällen. Also das ist schon letztendlich eine sehr positive Rückmeldung, die wir eigentlich regelmäßig erhalten.
Julia Nogli
Das klingt gut. Und ja, in der Tat, Sie wollen ja natürlich auch wissen, vielleicht ein Vierteljahr später oder so, war das alles richtig? Entwickelt sich das gut?
Denn es kann ja auch mal was sich nicht gut entwickeln, aber dann muss zur Not nochmal operiert werden. Aber es kommt hoffentlich nicht oft vor.
Dr. Marcus Reinke
Das kommt zum Glück sehr selten vor. Aber das ist sicherlich auch ein Grund, weshalb man Patienten in orthopädischen Kliniken relativ regelmäßig erneut sieht nach den Operationen. In der Regel ist es so, dass die weitere Behandlung dann beim niedergelassenen Orthopäden oder Hausarzt stattfindet.
Und wir sehen die Patienten in gewissen festgesetzten Zeitintervallen, um letztendlich zu überprüfen, ob das auch alles sich so entwickelt, wie wir uns das vorstellen.
Julia Nogli
Da gibt es also auch eine gute Nachsorge. Vielen Dank an Dr. Markus Reinke, Chefarzt der Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie in der Immanuel Klinik Rüdersdorf, Universitätsklinikum der Medizinischen Hochschule Brandenburg. Mehr zu ihm und seiner Abteilung hier auf paradiso.de, wie immer in der Mediathek unter natürlich gesund. Dort können Sie die ganze Sendung auch nochmal nachhören. Einen zauberhaften und entspannten Abend für Sie mit Radio Paradiso.