Stuhlinkontinenz
Wenn die Fähigkeit nicht mehr gegeben ist, Stuhl und Darmgase voneinander zu unterscheiden und sie zurückzuhalten, spricht man von einer analen Inkontinenz.
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Was ist eine Stuhlinkontinenz?
Ist die Fähigkeit nicht mehr gegeben, Stuhl oder Darmgase voneinander zu unterscheiden, sie zurückzuhalten und unter Kontrolle willkürlich abzusetzen, spricht man von einer Stuhlinkontinenz. Das Spektrum reicht von der gelegentlichen Wäscheverschmutzung bis zur völligen Unfähigkeit, festen Stuhl zu halten. Die anale Inkontinenz betrifft Menschen aller Altersgruppen, kommt aber wesentlich häufiger bei älteren Menschen vor.
Wie entsteht eine Stuhlinkontinenz?
Das für die Stuhlkontinenz verantwortliche Organ ist das Kontinenzorgan, bestehend aus Mastdarm (lat. Rektum), der Beckenbodenmuskulatur sowie dem inneren und äußeren Schließmuskel. Es existieren unterschiedliche Ursachen der Stuhlinkontinenz: Eine muskuläre Ursache der Stuhlinkontinenz ist die Beckenbodensenkung, eine häufige Alterserscheinung durch Bindegewebsschwäche und Abbau der Beckenmuskulatur oder durch Operationen an der Gebärmutter. Die häufigste Ursache für eine Schädigung des Schließmuskelapparates ist die vaginale Entbindung mit Dammriss.
Bei den vom zentralen Nervensystem ausgehenden Ursachen der Inkontinenz unterscheidet man eine Störung der Impulsverarbeitung wie zum Beispiel bei Schlaganfall, Morbus Alzheimer oder einem Gehirntumor. Außerdem kann auch eine gestörte Impulsüberleitung ursächlich sein, wie sie beispielsweiser bei der Multiplen Sklerose oder Querschnittlähmung vorliegt. Des Weiteren spricht man von einer sensorisch bedingten Stuhlinkontinenz, wenn zum Beispiel beim Hämorrhoidalleiden die Schleimhaut nach außen gestülpt ist oder ein Rektumprolaps vorliegt. Hierbei kommt es zum Verlust der sensiblen Wahrnehmung des Füllungszustandes des Mastdarmes.
Es kann auch zur Stuhlinkontinenz durch Störung der rektalen Speicherfunktion zum Beispiel nach Tumor-Operationen am Mastdarm kommen. Hierdurch kann die natürliche Erweiterung der Rektumampulle fehlen, was zum häufigen Stuhlgang und zur Inkontinenz führen kann.
Auch nach schließmuskelnahen Operationen wie Fistelsanierungen, Abszessoperationen und Bestrahlung des Mastdarmes oder des inneren Genitales kann eine Stuhlinkontinenz auftreten.
Weitere Informationen zum Hämorrhoidalleiden finden Sie hier
Stuhlinkontinenz
Dr. med. Oskar Rückbeil, Oberarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie sowie Koloproktologie der Abteilung Chirurgie, spricht darüber, was Stuhlinkontinenz genau bedeutet, wie häufig sie auftrit und wie die Behandlung aussieht.
Julia Nogli
Radio Paradiso mit Natürlich Gesund. Ich bin Julia Nogli und es geht heute um Stuhlinkontinenz, ein Thema, das oft tabuisiert wird. Experte am Telefon ist Dr. Oskar Rückbeil, leitender Oberarzt der Abteilung für Chirurgie, Zentrum für Robotik an der Immanuel Klinik Rüdersdorf, Universitätsklinikum der Medizinischen Hochschule Brandenburg. Hallo erst mal, ich grüße Sie.
Dr. med. Oskar Rückbeil
Hallo, ich freue mich bei Ihnen zu sein, Frau Nogli.
Julia Nogli
Ja, was bedeutet Stuhlinkontinenz genau? Ab wann spricht man davon?
Dr. med. Oskar Rückbeil
Also Stuhlinkontinenz ist ein weites Feld. An sich heißt es erst mal, dass die Patientinnen und Patienten oder wir sprechen auch gerne von Betroffenen, keine Kontrolle darüber haben, wann ihr Stuhl, in welcher Form auch immer, also ob das fester Stuhlgang ist oder flüssiger Stuhlgang oder auch Darmgase, wann die abgehen, sondern dass sie unwillkürlich, also unkontrolliert sozusagen Stuhlgang oder auch Winde verlieren. Genau, und dafür gibt es eben mannigfaltige Ursachen.
Da können wir vielleicht im Detail noch mal drauf eingehen. Ich würde sagen, wichtig für den Patienten ist erst mal zu wissen, dass es viele Betroffene gibt. Zur Häufigkeit ist auf jeden Fall zu sagen, dass das im Alter über 70 Jahren durchaus bis zu 20 Prozent der Bevölkerung betrifft.
Hier sind Männer und Frauen ungefähr gleich verteilt und im Alter unter 40 Jahren liegt die Häufigkeit dann so bei Frauen etwas niedriger. Vier Prozent bei Männern, ungefähr sechs Prozent. Es gibt Studien aus den USA, dass man so sagt, bei Patienten, die nicht im Krankenhaus sich befinden, ungefähr acht Prozent der Bevölkerung.
Julia Nogli
Das ist ja eine doch erhebliche Zahl auf jeden Fall. Und ja, im Zusammenhang mit welchen Erkrankungen tritt das auf oder kann es einfach so kommen?
Dr. med. Oskar Rückbeil
Also es kann auch einmal sporadisch, gerade bei jüngeren Patienten auftreten. Das ist eben etwas, wenn wir davon sprechen, dass das als Nebenwirkungen auftritt. Das ist dann eigentlich keine klassische Inkontinenz.
Wenn Patienten sozusagen eigentlich unter einer Durchfall Episode oder sowas leiden und dann Probleme haben, der Kontrolle sozusagen über den Stuhlgang. Das sehen wir auch selten mal in unserer Sprechstunde, zum Beispiel als Nebenwirkung von Medikamenten, Antibiotika gaben oder unter Chemotherapien. Das Häufigste, was wir in unseren Sprechstunden sehen, ist insbesondere bei weiblichen Betroffenen geburtstraumatische Verletzungen, also durch schwierige Geburten oder Geburten, die mit einem Dammriss vergesellschaftet sind, also dass der Kindskopf eben zu groß war oder mit einem Dammschnitt.
Dann ist es auch manchmal ganz einfach abhängig von der Ernährung. Und es gibt diverse Erkrankungen in der Nähe des Schließmuskels oder der Nachbarorgane wie Fisteln, Abszesse vor Operationen, zum Beispiel bei bösartigen Erkrankungen. Ich sage nur, Darmkrebs ist so ein Thema oder eine Vorbestrahlung.
Vielleicht wurde die Prostata vorbestrahlt oder ein Darmkrebs wurde vor einer Operation schon einmal bestrahlt. Das kann dann im längeren Verlauf nach dieser Bestrahlung, wenn die Zellen dann untergehen durch die Bestrahlung, auch dazu führen, dass die Patienten insbesondere eine Drangstuhlinkontinenz bekommen. Und dann kennen wir noch Erkrankungen des Nervensystems, zum Beispiel die Multiple Sklerose, wäre hier zu nennen, oder andere neu neuronale Erkrankungen, Erkrankungen aus dem neurologischen Formkreis, die auch vergesellschaftet sind mit Stuhlinkontinenz.
Julia Nogli
Stuhlinkontinenz, das ist unser Thema heute Abend in der Sendung. Natürlich gesund hier bei Radio Paradiso. In ein paar Minuten geht's weiter.
Bleiben Sie dran. Schönen Dienstagabend hier bei Radio Paradiso mit natürlich gesund. Ich bin Julia Nogli.
Mein Thema heute Stuhlinkontinenz nicht unbedingt etwas, über das oft gesprochen wird. Darum machen wir das heute Abend hier, denn es ist ein wichtiges Thema. Experte am Telefon ist Doktor Oskar Rückweil, leitender Oberarzt der Abteilung für Chirurgie Zentrum für Robotik an der Immanuel Klinik Rüdersdorf.
Sie sagten eben schon, es gibt eine große Vielfalt der Ursachen für Stuhlinkontinenz. Wie sieht denn dann die Behandlung aus?
Dr. med. Oskar Rückbeil
Genau, also wir haben multiple, ganz viele Therapiemöglichkeiten. Eine Sache wollte ich noch erwähnen. Bei den älteren Patienten ist es manchmal so, dass man auch denkt, dass sie gerade wenn es Bewohnerinnen und Bewohner von Seniorenheimen sind, dass sie eigentlich meinen, sie hätten eine Inkontinenz, aber sie leiden unter einem paradoxen Durchfall, weil sie sozusagen die festen Stuhlmasken gar nicht mehr absetzen können.
Und im Prinzip leiden sie eigentlich eher unter Verstopfungen. Also der Darm entleert sich nicht mehr regelhaft. Das sehen wir relativ häufig in unserem älteren Patienten gut.
Und das ist eben sehr gut zu behandeln. Einfach durch einfache Maßnahmen, meistens auch ohne eine Operation, muss eben nur erkannt werden. Und damit geht das los.
Das sind die einfachen Maßnahmen. Wenn es darum geht, dass Patienten zum Beispiel Inkontinenz erleiden für Stuhl durch Medikamente, muss man natürlich überprüfen, welche Medikamente der Patient einnimmt. Gegebenenfalls kann man ganz einfach die Therapien, die die Patienten haben, anpassen oder umstellen.
Manchmal ist es auch so, dass Patienten zu viele stopfende Medikamente einnehmen und dann im Verlauf paradoxe Durchfälle haben, weil die festen Stuhlanteile sich nicht entleeren können. Und dann kommt man in einen Bereich, wenn man sozusagen mit den konservativen Maßnahmen nicht zurechtkommt, dass man versucht, die Stuhlkonsistenz gegebenenfalls anzupassen. Und wir sprechen dann sehr gerne von einem Stufenkonzept.
Man fängt mit Beckenbodentraining häufig an, kann das dann auch steigern über eine sogenannte Bio-Feedback-Therapie, die eben dem Patienten ermöglicht, die Leistung, die er mit seinem Schließmuskel vollbringt, auch zu visualisieren, also dass er ein Feedback hat über das, was er am Trainingseffekt macht und auch eine Stimulation des inneren Schließmuskels. Dazu muss gesagt sein, der Schließmuskel besteht aus einer Komponente, die wir nicht steuern können, also die unwillkürlich immer einen Ruhedruck hält, damit eben kein Stuhl sich entleert. Wenn wir jetzt spazieren gehen oder sowas, soll ja kein Stuhlgang sich entleeren.
Und es gibt eine Komponente, die wir willkürlich steuern können, dass der Schließmuskel auch sich öffnet, wenn wir auf Toilette sind und dass der Stuhlgang entlastet werden kann. Und diese zwei Komponenten können wir unterschiedlich beeinflussen durch unsere Therapien. Und das geht so weit, dass wenn die Patienten durch die ganze Therapie, die durch das Laufen haben, auch unter Umständen einen Schrittmacher implantiert bekommen können von uns.
Also ein Schrittmacher, bei dem wir testen, 14 Tage lang, ob es einen Effekt hat und erst dann den Schrittmacher ähnlich wie beim Herzschrittmacher implantieren. Wenn wir keinen Effekt sehen, würden wir auch keinen Schrittmacher implantieren. Aber wenn man die Patienten entsprechend gut vorher auswählt, dann hat man in der Regel auch eine hohe Trefferquote und durch den Schrittmacher kommt es dann, wir begleiten es hier im Rahmen der Medizinischen Hochschule Brandenburg auch mit einer Studie zur Lebensqualität, kommt man auch zu guten Effekte, was die Frequenz der Stuhlgänge betrifft und die Häufigkeit von Inkontinenzepisoden, also wie häufig der Patient Inkontinenzepisoden nach der Implantation noch erleidet.
Julia Nogli
Das, Entschuldige, das höre ich zum ersten Mal. Klingt ja sehr interessant. Das wird dort vor Ort sozusagen implantiert, dieser Schrittmacher oder wie ist das?
Dr. med. Oskar Rückbeil
Das führen wir vor Ort durch. Die Patienten müssen die konservative Therapie durchlaufen. Das ist auch zwingend so vorgesehen, weil die Kassen natürlich keine unnötigen Schrittmacherimplantationen finanzieren wollen, was auch verständlich ist.
Das System ist sehr teuer und ist ja auch eine aufwendige Operation. Deswegen ist es wichtig, dass man alle konservativen Therapiemaßnahmen ausgeschöpft hat. Was ich gerade schon beleuchtet hatte, also das Vorabbecken, Bodentraining, Ernährungsumstellung und diese Dinge erfolgt sind.
Das ist ja auch ein sehr wichtiger Schrittmacher, den wir hier in Rüdersdorf haben. Das ist ja auch ein sehr wichtiger Schrittmacher, den wir hier in Rüdersdorf haben.
Julia Nogli
Das ist ja auch ein sehr wichtiger Schrittmacher, den wir hier in Rüdersdorf heute Abend Fragen zum Thema Stuhlinkontinenz mit dem Proktologen Dr. Oskar Rückbeil, leitender Oberarzt der Abteilung für Chirurgie, Zentrum für Robotik an der Immanuel Klinik Rüdersdorf. Mehr zum Thema in ein paar Minuten hier in Natürlich gesund auf Radio Paradiso. Sie hören die Sendung Natürlich gesund hier bei Radio Paradiso.
Mein Name ist Julia Nogli. Unser Thema heute Stuhlinkontinenz. Darüber spreche ich mit Dr. Oskar Rückbeil. Seit November 2017 ist er an der Immanuel Klinik Rüdersdorf Oberarzt der Abteilung für Chirurgie, seit 2019 zusätzlich als Koordinator des Darmkrebs Zentrums. Ja, wir haben eben schon von verschiedenen Therapien gehört. Es war eben auch die Rede von einer OP.
Das ist also möglich, den Darmausgang beziehungsweise den Schließmuskel zu rekonstruieren.
Dr. med. Oskar Rückbeil
Genau das ist in vielen Fällen. Wir machen dann eine Ultraschalluntersuchung des Schließmuskels direkt und zum Messen, wie groß der Defekt des Schließmuskels ist. Also es gibt in der wissenschaftlichen Fachwelt die Festlegung, dass wir sagen, wenn mehr als die Hälfte des Schließmuskels aufgebraucht ist, macht das keinen Sinn.
Das würde dann auch den Schließmuskel zu sehr einengen. Und in der Regel ist es dann auch so, dass man keine Nähte setzen kann, die langfristig heilen können. Also das muss man ausmessen vorab, ob das sinnvoll ist, das zu rekonstruieren.
Und dann, wenn das der Fall ist, dann kann der Patient wahrscheinlich ohne einen Schrittmacher gut auskommen. Ansonsten ist es eben auch so, dass es Patienten gibt, die anders therapiert werden müssen, wenn dies mit dem Schrittmacher oder Schließmuskelreparation kein adäquates Verfahren ist und der Patient eher unter einer Verstopfungsproblematik mit einhergehender Inkontinenz leidet, muss man auch manchmal ein Stück Darm entfernen. Das machen wir dann durchaus auch, wie bei einer entzündlichen Erkrankung oder bei einer tumorösen Erkrankung des Darmes.
Und der Darm wird dann gleich neu verbunden, also dass die normale Darmpassage im Körper erhalten bleibt. Und ganz, ganz selten ist es aus pflegerischer Sicht auch notwendig, bei inkontinenten Patienten, die, sage ich, immobilisiert sind oder auch bettlägerig. Das sind ja Informationen, die für betroffene Angehörige immer wichtig sind.
Das manchmal muss man auch einen künstlichen Darmausgang anlegen, um sozusagen die pflegerische Situation für den Patienten zu verbessern.
Julia Nogli
Das hört man in der Tat öfter. Das ist noch mal bei welchen Fällen? Kommt das zum Tragen?
Dr. med. Oskar Rückbeil
Also das kommt nur, das ist sozusagen, sage ich mal, eine letzte Möglichkeit, sozusagen, wenn Patienten jetzt nicht mehr mobil sind, sondern überwiegend im Bett liegen und es ein pflegerisches Problem gibt, dass der Stuhlgang häufig zu Infekten sozusagen des Gesäßes führt, was dann auch zum Wundliegen führen kann. Dann ist es durchaus sinnvoll, mit den Angehörigen und den Patienten zu besprechen, ob ein künstlicher Darmausgang die Situation nicht verbessern kann. Das wird natürlich im Einzelfall immer sorgsam geprüft.
Wir suchen dann das Gespräch, insbesondere auch mit den versorgenden Angehörigen, die uns dann auch im Krankenhaus aufsuchen. Und gemeinsam mit den Patienten wird das dann entschieden. Und dann ist es so, dass die Kontinuität der Darmpassage unterbrochen wird und ein künstlicher Darmausgang aus der Bauchdecke ausgeleitet wird, der sich dann einfach besser versorgen lässt über ein Stoma System Beutel, in dem der Stuhlgang ablaufen kann.
Julia Nogli
Mit dem man ja aber auch rumlaufen kann.
Dr. med. Oskar Rückbeil
Genau. Könnte man auch. Das ist ja was, was wir jetzt bei Darmkrebs Patienten oder anderen Patienten auch mal vorübergehend anlegen müssen.
Oder wenn ein Patient eine schwere Bauchfellentzündung hat, kann das auch mal vorkommen. Das ist natürlich nicht im Rahmen der Inkontinenz eine Standardversorgung bei mobilen Patienten. Das würde ich jetzt eher ausschließen in unserem Patienten gut.
Julia Nogli
Aber es gibt eine ganze Menge Möglichkeiten. Das finde ich wirklich eine gute Nachricht, wenn man das jetzt hört, da zu Therapie. Das heißt also, man sollte durchaus damit zur Ärztin, zum Arzt gehen, gucken lassen.
Was ist da los?
Dr. med. Oskar Rückbeil
Genau, da sagen Sie was ganz Wesentliches. Das ist immer das Wichtige. Das ist ja ein tabubehaftetes Thema.
So haben wir sozusagen das Interview, glaube ich, auch benannt. Es ging irgendwie um das Tabu. Und die Patienten trauen sich häufig auch nicht, ihren Hausarzt, den sie schon lange Jahre kennen, mit diesem Thema zu belasten oder anzusprechen.
Das hören wir immer wieder. Und ich bin dann doch froh, dass die Patienten inzwischen den Weg zum Spezialisten recht gut finden. Natürlich müssen die Hausärzte dafür sensibilisiert sein und die Patienten dann auch weiterleiten, dass sie einfach sagen Ja, dann geht doch zum Proktologen oder wenn es um eine Urinkontinenz, also für Harnwirt geht, geht doch nochmal zum Frauenarzt oder lasst dich beim Urologen beraten.
Wir sprechen ja hier auch von den drei Kompartimenten. Also die Urologen behandeln dann mehr so das Kompartiment um die Blase und die Gynäkologen sind ja auch beteiligt. Und wir kümmern uns dann eher um die Stuhlinkontinenz.
Wir Proktologen und Chirurgen und bei uns ist es ganz wichtig, wir sind gemeinsam mit unseren Gynäkologen auch Beratungszentrum der Deutschen Kontinenzgesellschaft und wir sehen viele Patienten und machen auch einmal jährlich gemeinsam mit der Deutschen Kontinenzgesellschaft eine Informationsveranstaltung für Betroffene, für Patientinnen und Patienten. Und die Patienten können sich dann einfach mal ein Bild geben, lassen ein bisschen Informationsmaterial auch sammeln und sich in der Sprechstunde vorstellen, weil es doch ein schwieriger Gang für viele Patienten ist. Aber wir haben eben eine mannigfaltige Möglichkeit an konservativen, medikamentösen Therapien, operativen Therapien, die teilweise nicht sehr invasiv sind.
Das kommt auch vor, dass Patienten einfach nur eine gute Hämorrhoidal-Operation brauchen, weil sie durch so ausgedehnte Hämorrhoiden keinen richtigen Schließmuskelschluss mehr hinbekommen und danach geht es ihnen viel besser. Also es ist immer wichtig, glaube ich, sich kompetent beraten zu lassen und vom Experten auch sozusagen untersuchen zu lassen. Und dann können wir den Patienten auch sehr gut helfen.
Julia Nogli
Stuhlinkontinenz etwas, worüber keiner redet. Wir aber eben doch. Denn es gibt diverse Therapien, die hier helfen können.
Je nach Ursache. In wenigen Minuten mehr zum Thema und mehr Infos zum Nachlesen auch für Sie auf www.paradiso.de in unserer Mediathek unter natürlich gesund. Und das geht gleich weiter.
Bleiben Sie dran. Radio Paradiso mit natürlich gesund. Ich bin Julia Nogli und es geht heute um ein meist tabuisiertes Thema Stuhlinkontinenz.
Experte ist Dr. Oskar Rückbeil, Leitender Oberarzt der Abteilung für Chirurgie, Zentrum für Robotik an der Immanuel-Klinik Rüdersdorf, Universitätsklinikum der Medizinischen Hochschule Brandenburg. Sie haben ja eben diverse Therapiemöglichkeiten aufgezählt, die da gut helfen können und keinesfalls ist es also so, dass man denkt, jemand wird sehr alt und wird dann automatisch immer Windeln tragen müssen oder sowas.
Dr. med. Oskar Rückbeil
Nee, genau. Das ist ja immer so zu sagen, dass eine, das ist eine symptomatische Therapie, wie wir das nennen, sozusagen Windelversorgung oder eine Kontinenz Material wird es ja auch so genannt im Fachjargon. Das ist auch so ein Last Exit, dass man Kontinenz Material verwendet.
Aber viele Patienten bekommen das eben als erstes verordnet und dann wird lange Zeit nicht geprüft und häufig ist es eben nicht notwendig, sondern man kann was tun gegen die Inkontinenz und es ist keinesfalls so. Wir haben 95 jährige Patienten hier, die vollkommen kontinent sind oder manchmal auch einfach nur noch mal Beckenbodentraining benötigen und dann wieder eine bessere Kontinenzfunktion erhalten. Und den einzelnen Patienten ist dann mit den gezielten Maßnahmen, die wir ergreifen, wirklich geholfen.
Julia Nogli
Das wäre auch meine letzte Frage. Beckenbodentraining ist ja auch uns Frauen sehr vertraut aus verschiedenen Zusammenhängen. Ist das ein Muskeltraining auch?
Ist es so, dass man auch im höheren Alter Muskulatur noch stabilisieren und trainieren kann?
Dr. med. Oskar Rückbeil
Genau, durchaus. So wie mit allen anderen Dingen, die wir auch empfehlen, dass die Patienten fit bleiben sollen, ist es so, dass wir das dann auch noch mal krankengymnastisch unterstützt, sozusagen verordnen, dass der Patient nicht alleingelassen wird. Die jungen Patienten kriegen meistens nur eine Anleitung.
Es gibt verschiedene Übungen, die in verschiedenen Körperpositionen von Patienten selber zu Hause durchgeführt werden können. Da gibt es ausführliche Anleitungen und dem Patienten, der das benötigt, lassen wir dann eine Verordnung durch den Hausarzt für eine krankengymnastische Beckenbodentraining für meistens sechs Sitzungen zukommen oder verordnen die selber. Und das geht auch im hohen Alter noch gut, wenn der Patient eben in der Lage ist, sozusagen mitzumachen.
Bei einem Patienten, der jetzt nicht mehr aus dem Bett kommt, wird es wahrscheinlich keine Option sein. Aber Patienten, die mobil sind, können das durchaus machen. Und das hat einen guten Effekt.
Julia Nogli
Inkontinenzmaterial ist oft gar nicht auf Dauer nötig, denn man kann was tun gegen die Inkontinenz. Dazu sollte eben eine Diagnose gemacht werden. Und dann gibt es diverse Therapiemöglichkeiten.
Letztlich ist das auch sehr viel günstiger, wenn man an die Kosten für Inkontinenzmaterial, also Windeln, denkt, mit denen die Menschen oft alleine gelassen werden. Scheuen Sie sich also nicht, das Thema bei der Ärztin dem Arzt anzusprechen, sagt Dr. Oskar Rückbeil, Leitender Oberarzt der Abteilung für Chirurgie, Zentrum für Robotik an der Immanuel Klinik Rüdersdorf. Dort gibt es auch eine regelmäßige Sprechstunde zum Thema.
Mehr Infos hier bei uns auf www.paradiso.de in unserer Mediathek unter natürlich gesund. Einen wundervollen Abend für Sie mit Radio Paradiso.
Diagnostik und Therapiemöglichkeiten
Zunächst erfolgt eine proktologische Untersuchung sowie eine Anuskopie beziehungweise Proktoskopie (Untersuchung des Analkanals und des unteren Rectums). Eine Darmuntersuchung mit Rektoskopie (Mastdarmspiegelung) und Koloskopie (Darmspiegelung) kann bei Bedarf folgen. Des Weiteren können Untersuchungen der Schließmuskelfunktion sowie bildgebende Untersuchungen wie Anorektaler Ultraschall (ERUS), Magnetresonanztomographie (MRT) des Schließmuskels und kleinen Beckens folgen. Gynäkologische Untersuchungen, eine Elektromyographie (Messung elektrischer Aktivität in ausgewählten Muskeln) zur Abgrenzung eines Nervenschadens und der Beckenbodenmuskeln sowie Röntgenuntersuchung zur Entleerungsfunktion des Enddarmes (Defäkographie) und gegebenenfalls weitere Röntgenuntersuchungen wie der Colon-Kontrasteinlauf stehen außerdem zur Verfügung.
In Fällen eines Defekts des Schließmuskels ist die Therapie der Wahl eine Rekonstruktion des Schließmuskels durch eine direkte Naht (Sphinkterrekonstruktion). Hierbei kann die Chirurgin oder der Chirurg unterschiedliche Techniken anwenden.
Es gibt weiterhin verschiedene chirurgische Techniken, um die Schließmuskulatur durch körpereigene Muskulatur zu ersetzen oder auch einen künstlichen Schließmuskel zu implantieren.
Eine weitere Möglichkeit der operativen Therapie ist die Implantation eines sogenannten Beckenboden-Schrittmachers (sacrale Nervenstimulation, SNS). Voraussetzung hierfür ist ein intakter äußerer Schließmuskel. Die Implantation kommt für Patientinnen oder Patienten in Frage, deren Inkontinenz aufgrund von Störungen der Nervenleitung bzw. Reizübertragung besteht. Der Schrittmacher gibt Impulse direkt auf die Nerven in Höhe des Kreuzbeins, die Schließmuskulatur wird vermehrt nerval aktiviert. Dies führt zu einer deutlichen Verbesserung der Kontraktion und damit der Inkontinenz.
Bei leichteren Formen der Inkontinenz ist eine konservative Therapie indiziert. Hierbei kommt zunächst eine Umstellung der Ernährung in Frage. Ziel ist es, die Konsistenz des Stuhls zu verändern, um die Kontrolle der Schließmuskelfunktion zu verbessern. Mit Nahrungszusätzen wie Flohsamenschalenpulver ist dies erreichbar.
Besteht das Problem der Inkontinenz in erster Linie im Auftreten von sehr häufigen und oftmals dünnflüssigen Stühlen, so kann man auch die Stuhlfrequenz medikamentös erniedrigen. Hierbei wird die Aktivität des Darms gedämpft.
Beckenbodentraining ist die konservative Grundlage, um eine Verbesserung der Kontinenz zu erzielen. Es existiert eine Vielzahl von Übungen, die physiotherapeutisch angeleitet und gelehrt werden und eine Stärkung der Beckenbodenmuskulatur zum Ziel haben.
Eine weitere konservative Therapiemöglichkeit insbesondere für Koordinationsstörungen ist das „Biofeedback“. Mit technischer Unterstützung kann die Koordination des Schließmuskelapparats hierbei deutlich verbessert werden. Bei ausgewählten Patientengruppen können hier sehr gute Erfolgsraten erzielt werden.