Stuhlinkontinenz
Wenn die Fähigkeit nicht mehr gegeben ist, Stuhl und Darmgase voneinander zu unterscheiden und sie zurückzuhalten, spricht man von einer analen Inkontinenz.
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Was ist eine Stuhlinkontinenz?
Ist die Fähigkeit nicht mehr gegeben, Stuhl oder Darmgase voneinander zu unterscheiden, sie zurückzuhalten und unter Kontrolle willkürlich abzusetzen, spricht man von einer Stuhlinkontinenz. Das Spektrum reicht von der gelegentlichen Wäscheverschmutzung bis zur völligen Unfähigkeit, festen Stuhl zu halten. Die anale Inkontinenz betrifft Menschen aller Altersgruppen, kommt aber wesentlich häufiger bei älteren Menschen vor.
Wie entsteht eine Stuhlinkontinenz?
Das für die Stuhlkontinenz verantwortliche Organ ist das Kontinenzorgan, bestehend aus Mastdarm (lat. Rektum), der Beckenbodenmuskulatur sowie dem inneren und äußeren Schließmuskel. Es existieren unterschiedliche Ursachen der Stuhlinkontinenz: Eine muskuläre Ursache der Stuhlinkontinenz ist die Beckenbodensenkung, eine häufige Alterserscheinung durch Bindegewebsschwäche und Abbau der Beckenmuskulatur oder durch Operationen an der Gebärmutter. Die häufigste Ursache für eine Schädigung des Schließmuskelapparates ist die vaginale Entbindung mit Dammriss.
Bei den vom zentralen Nervensystem ausgehenden Ursachen der Inkontinenz unterscheidet man eine Störung der Impulsverarbeitung wie zum Beispiel bei Schlaganfall, Morbus Alzheimer oder einem Gehirntumor. Außerdem kann auch eine gestörte Impulsüberleitung ursächlich sein, wie sie beispielsweiser bei der Multiplen Sklerose oder Querschnittlähmung vorliegt. Des Weiteren spricht man von einer sensorisch bedingten Stuhlinkontinenz, wenn zum Beispiel beim Hämorrhoidalleiden die Schleimhaut nach außen gestülpt ist oder ein Rektumprolaps vorliegt. Hierbei kommt es zum Verlust der sensiblen Wahrnehmung des Füllungszustandes des Mastdarmes.
Es kann auch zur Stuhlinkontinenz durch Störung der rektalen Speicherfunktion zum Beispiel nach Tumor-Operationen am Mastdarm kommen. Hierdurch kann die natürliche Erweiterung der Rektumampulle fehlen, was zum häufigen Stuhlgang und zur Inkontinenz führen kann.
Auch nach schließmuskelnahen Operationen wie Fistelsanierungen, Abszessoperationen und Bestrahlung des Mastdarmes oder des inneren Genitales kann eine Stuhlinkontinenz auftreten.
Weitere Informationen zum Hämorrhoidalleiden finden Sie hier
Stuhlinkontinenz
Dr. med. Oskar Rückbeil, Oberarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie sowie Koloproktologie der Abteilung Chirurgie, spricht darüber, was Stuhlinkontinenz genau bedeutet, wie häufig sie auftrit und wie die Behandlung aussieht.
Diagnostik und Therapiemöglichkeiten
Zunächst erfolgt eine proktologische Untersuchung sowie eine Anuskopie beziehungweise Proktoskopie (Untersuchung des Analkanals und des unteren Rectums). Eine Darmuntersuchung mit Rektoskopie (Mastdarmspiegelung) und Koloskopie (Darmspiegelung) kann bei Bedarf folgen. Des Weiteren können Untersuchungen der Schließmuskelfunktion sowie bildgebende Untersuchungen wie Anorektaler Ultraschall (ERUS), Magnetresonanztomographie (MRT) des Schließmuskels und kleinen Beckens folgen. Gynäkologische Untersuchungen, eine Elektromyographie (Messung elektrischer Aktivität in ausgewählten Muskeln) zur Abgrenzung eines Nervenschadens und der Beckenbodenmuskeln sowie Röntgenuntersuchung zur Entleerungsfunktion des Enddarmes (Defäkographie) und gegebenenfalls weitere Röntgenuntersuchungen wie der Colon-Kontrasteinlauf stehen außerdem zur Verfügung.
In Fällen eines Defekts des Schließmuskels ist die Therapie der Wahl eine Rekonstruktion des Schließmuskels durch eine direkte Naht (Sphinkterrekonstruktion). Hierbei kann die Chirurgin oder der Chirurg unterschiedliche Techniken anwenden.
Es gibt weiterhin verschiedene chirurgische Techniken, um die Schließmuskulatur durch körpereigene Muskulatur zu ersetzen oder auch einen künstlichen Schließmuskel zu implantieren.
Eine weitere Möglichkeit der operativen Therapie ist die Implantation eines sogenannten Beckenboden-Schrittmachers (sacrale Nervenstimulation, SNS). Voraussetzung hierfür ist ein intakter äußerer Schließmuskel. Die Implantation kommt für Patientinnen oder Patienten in Frage, deren Inkontinenz aufgrund von Störungen der Nervenleitung bzw. Reizübertragung besteht. Der Schrittmacher gibt Impulse direkt auf die Nerven in Höhe des Kreuzbeins, die Schließmuskulatur wird vermehrt nerval aktiviert. Dies führt zu einer deutlichen Verbesserung der Kontraktion und damit der Inkontinenz.
Bei leichteren Formen der Inkontinenz ist eine konservative Therapie indiziert. Hierbei kommt zunächst eine Umstellung der Ernährung in Frage. Ziel ist es, die Konsistenz des Stuhls zu verändern, um die Kontrolle der Schließmuskelfunktion zu verbessern. Mit Nahrungszusätzen wie Flohsamenschalenpulver ist dies erreichbar.
Besteht das Problem der Inkontinenz in erster Linie im Auftreten von sehr häufigen und oftmals dünnflüssigen Stühlen, so kann man auch die Stuhlfrequenz medikamentös erniedrigen. Hierbei wird die Aktivität des Darms gedämpft.
Beckenbodentraining ist die konservative Grundlage, um eine Verbesserung der Kontinenz zu erzielen. Es existiert eine Vielzahl von Übungen, die physiotherapeutisch angeleitet und gelehrt werden und eine Stärkung der Beckenbodenmuskulatur zum Ziel haben.
Eine weitere konservative Therapiemöglichkeit insbesondere für Koordinationsstörungen ist das „Biofeedback“. Mit technischer Unterstützung kann die Koordination des Schließmuskelapparats hierbei deutlich verbessert werden. Bei ausgewählten Patientengruppen können hier sehr gute Erfolgsraten erzielt werden.