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05.09.2022

Gewitter im Kopf: Wenn der Alltag zur Qual wird

Im Gespräch mit Dr. med. Kay Schwarzer, Oberarzt und Leiter des Schmerzzentrums in der Immanuel Klinik Rüdersdorf.
Immanuel Albertinen Diakonie - Immanuel Klinik Rüdersdorf - Nachrichten - Weltkopfschmerztag - Dr. med. Kay Schwarzer

Dr. med. Kay Schwarzer, Oberarzt und Leiter des Schmerzzentrums in der Immanuel Klinik Rüdersdorf

Der Weltkopfschmerztag macht Jahr für Jahr am 5. September auf eine ebenso schwere wie häufige Erkrankung aufmerksam: Kopfschmerzen. Wir haben mit Dr. Kay Schwarzer, Leiter des Schmerzzentrums Rüdersdorf, über Entstehung, Arten und Behandlungsmöglichkeiten von und bei Kopfschmerzen gesprochen.

Herr Dr. Schwarzer: Was sind Kopfschmerzen?
Viele Menschen leiden an Kopfschmerzen und wer schon einmal stärkere Kopfschmerzen hatte, weiß, wie sehr Alltag und Lebensqualität darunter leiden. Zwischen den Kopfschmerzen gibt es allerdings große Unterschiede: Migräne, Spannungskopfschmerz, Cluster-Kopfschmerz, Trigeminusneuralgie – das sind recht verschiedene Kopfschmerzentitäten, die jeweils eine bestimmte Charakteristik und Pathophysiologie haben und dann auch ganz unterschiedlich behandelt werden. Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen sogenannten primären Kopfschmerzen, wie die oben genannten und sogenannten sekundären Kopfschmerzen – das sind Kopfschmerzen, die oft im Zusammenhang mit einer Läsion oder anderen Erkrankung stehen – also z.B. chronische Kopfschmerzen nach einem Schädel-Hirn-Trauma oder nach einer Operation am Kopf.
 
Wie entstehen Kopfschmerzen?
Sie ahnen es: Es gibt ganz unterschiedliche sogenannte Pathomechanismen und hier ist noch lange nicht alles erforscht. Sicherlich spielen generell die Hirnhäute und der sogenannte Nervus trigeminus, der diese Hirnhäute versorgt, eine zentrale Rolle. Aber auch Blutgefäße, Entzündungsprozesse und ganz bestimmte chemische Substanzen, die der Körper bildet, wie das Serotonin und das vasoaktive Neuropeptid CGRP bei der Migräne sind Faktoren, die Schmerzen im Kopf verursachen können.
 
Ein Leben mit Kopfschmerzen – was bedeutet das?
Es hilft, sich erst einmal zu vergegenwärtigen, dass man es im Falle einer Migräne oder eines Cluster-Kopfschmerzes mit einem echten Leiden, einer neurologischen Erkrankung, zu tun hat. Der/die Patient*in sollte seine bzw. ihre Kopfschmerzerkrankung wirklich ernst nehmen. Insbesondere Migräne-Patient*innen haben das Problem, dass sie von ihrem Umfeld im Migräne-freien Intervall als völlig normal wahrgenommen werden. Sie sind in dieser Zeit ja auch gesund. Kurz vor oder mitten in einer Migräne-Attacke erleben sie aber einen regelrechten inneren Sturm mit unzähligen und vielfältigen neurologischen Symptomen – z.B. Sehstörungen oder sogar ein kurzzeitiger Verlust der Sprache.

Der Kopf dröhnt immer wieder – was kann ich tun?
Jede/r Kopfschmerzpatient*in sollte sehr sorgfältig und möglichst neutral das Auftreten seiner bzw. ihrer Kopfschmerzen beobachten und auch alle auffälligen Zusammenhänge notieren, z.B. wenn Schlafmangel oder bestimmte Nahrungsmittel immer wieder Migräneattacken auslösen. Wenn die Kopfschmerzen sehr häufig auftreten, empfiehlt sich in der Regel eine medikamentöse Kopfschmerzmittelprophylaxe, die längerfristig eingenommen werden sollte. Hierbei kommt es meist zu einer deutlichen Reduktion der Kopfschmerztage. In unserem Schmerzzentrum in der Immanuel Klinik Rüdersdorf arbeiten wir bei sämtlichen Kopf- und Gesichtsschmerzerkrankungen viel mit Akupunktur und erzielen damit bei vielen Patient*innen sehr gute Ergebnisse.
 
Kann man nicht "einfach" eine Schmerztablette nehmen?
Der heutige Mensch, der irgendwie immer unter Druck steht, neigt sehr dazu, für jedes Symptom relativ sorglos eine Tablette zu nehmen. Insbesondere wenn es der Lebensstil ist, der zu Kopfschmerzen führt (Alkohol, Schlafmangel, Energy-Drinks, etc.), ist das problematisch. Und auch bei leichteren und mittelstarken Kopfschmerzen (in der Regel Spannungskopfschmerzen und zervikogene Kopfschmerzen) würde ich davon abraten. Wir wissen, dass ein regelmäßiges Ausdauertraining den meisten Kopfschmerzpatient*innen sehr guttut, außerdem können kalte Güsse bei einfachen Kopfschmerzen gut helfen. Auch das Einreiben oder Inhalieren von Pfefferminzöl kann einigen Patient*innen eine gute Linderung verschaffen. Es gibt Menschen, die merken, dass ein doppelter oder sogar dreifacher Espresso ihre Kopfschmerzen deutlich verbessert und auch der regelmäßige und ausreichende Schlaf wird in vielen Fällen zu einer Stabilisierung führen.
Bei starken und stärksten Schmerzen machen Schmerzmittel natürlich Sinn. Hier kann es sogar nötig sein, dass eine neurochirurgische Operation nötig ist, wie z.B. bei der echten Trigeminus-Neuralgie. Allerdings sollte der Kopfschmerz unbedingt einmal fachärztlich abgeklärt werden, am besten in einer Kopfschmerzambulanz oder von einem Kopfschmerzspezialisten.
 
Was ist der Unterschied zwischen Spannungskopfschmerzen und Migräne?
Sowohl die Schmerzstärke ist bei der Migräne meist deutlich höher als auch die Art des Schmerzes. Während beim Spannungskopfschmerz meist die Stirn beidseits dumpf- drückend schmerzt, erleben Migräne-Patient*innen in der Regel einseitige, auf die Schläfen- und Augenregion begrenzte, hämmernde, bohrende, lanzinierende Schmerzen. Migräne-Patient*innen leiden außerdem oft unter heftiger Übelkeit, nicht selten mit Erbrechen. Sie müssen sich von Reizen meist komplett abschirmen, während es Menschen mit Spannungskopfschmerzen eher guttut, einen kleinen Waldspaziergang zu machen.
 
Wie helfe ich meinem Kind, wenn es Kopfschmerzen hat?
Bei Kindern können Kopfschmerzen oftmals am besten verstanden werden, wenn man die psychosomatische Situation beleuchtet. Oft spielt innerer Druck eine Rolle, ein Zuviel an Aktivitäten und zu wenig Erholung, Bewegung und Schlaf. Ich denke, es kann generell gesagt werden, dass Kinder heute nicht so viel Erholung und Schlaf haben, wie ich das aus meiner Kindheit kenne: Ich bin nach der Schule fast täglich auf die Straße gegangen, um Fußball zu spielen und musste um 19 Uhr ins Bett gehen. Das wirkt heute fast diktatorisch, ist aber für den Biorhythmus sicherlich besser. Insofern: mehr Erholung, Schlaf und Bewegung, weniger Druck. Wenn das allein nicht hilft oder auch wenn es sich um sehr starke bzw. ungewöhnliche Kopfschmerzen handelt, sollte das Kind immer beim Kinderarzt vorgestellt werden.

Vielen Dank an Herrn Dr. med. Kay Schwarzer für die Beantwortung unserer Fragen zum Thema Kopfschmerzen!

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